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Menschen­rechts­wid­rige Siche­rungs­ver­wah­rung. Welche Konse­quenzen folgen aus der Entschei­dung des Europä­i­schen Gerichts­hofs für Menschen­rechte?

20. Oktober 2010
Datum: Donnerstag, 17. Dezember 2009
  • Justizsenator Dr. Till Steffen
  • Anke Pörksen (Humanistische Union; Stellv. Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ))
  • Sebastian Scharmer (Rechtsanwalt, RAV, AK Strafvollzug)
  • Christiane Schneider (MdBü, innenpolitische Sprecherin „Die Linke“)
  • Moderation: Carsten Gericke (Rechtsanwalt, RAV)

Mit Urteil vom 17.12.2009 entschied der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), dass Deutschland mit der im Jahre 1998 eingeführten rückwirkenden Aufhebung der 10-Jahresfrist bei erstmaliger Sicherungsverwahrung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hat. Trotz des einstimmigen Votums, das auch durch die deutsche Richterin am EGMR, Renate Jäger, mitgetragen wurde, versuchte die Bundesregierung, die zu erwartenden Konsequenzen dieser Entscheidung durch Anrufung der Große Kammer des EGMR zu umgehen. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 10.5.2010 abgelehnt.

Die Entscheidung des Gerichtshofs vom 17.12.2009 und die darin aufgezeigten Verstöße sowohl gegen das Recht auf Freiheit (Art. 5 EMRK) als auch gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 7 EMRK) haben das Konzept der Sicherungsverwahrung grundlegend in Frage gestellt. Derzeit sind am EGMR ca. 40 weitere Beschwerden gegen Deutschland wegen sonstiger Regelungen zur Sicherungsverwahrung anhängig. Sechs Beschwerden betreffen die nachträgliche Sicherungsverwahrung.

Unfähig oder unwillig die Praxis der Sicherungsverwahrung zügig menschrechtskonform auszugestalten, ignorierten Justizvollzug und Politik bis zuletzt die absehbaren Entlassungen einer Reihe von Gefangenen, die teilweise ohne nennenswerte Lockerungen seit mehr 25 Jahren hinter Gittern saßen. Auch nach dem Urteil im Dezember 2009 wurde es versäumt, die Sicherungsverwahrten auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Stattdessen führten reißerische Medienberichte nach der ersten Entlassung zu menschenjagd-ähnlichen Vorkommnissen. Vor diesem Hintergrund stellen sich eine Vielzahl diskussionswürdiger Fragen nach dem Sinn und Zweck der Sicherungsverwahrung, den rechtlichen Grenzen der Anordnung, insbesondere im Hinblick auf aktuelle Gesetzesentwürfe zur Neuregelung sowie nach Mindestanforderungen eines menschenwürdigen und auf Resozialisierung angelegten Vollzugs.

Eine gemeinsame Veranstaltung von Hamburgs Aktive Jurastudierende (HAJ), Republikanischer Anwältinnen– und Anwälteverein e.V. (RAV) und Humanistischer Union (HU). Der Eintritt ist frei.

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