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Polizei im Wandel - Ist eine Demokra­ti­sie­rung der Polizei möglich?

12. Juli 2007

Mitteilungen Nr. 197, S. 3

Diese Frage enthält die provokative These, die Polizei sei derzeit nicht demokratisch. Diese These wird fast jeden normal ausgebildeten Polizeibeamten sofort in eine Protesthaltung versetzen und, sofern diese These einige Publizität erlangt, nahezu jeden normalen Innenminister dazu veranlassen, den Erwartungen des Polizeiapparates und dessen Gewerkschaften entsprechend, sich „schützend“ vor die Polizei zu stellen. So ist es derzeit Brauch in deutschen Landen. Dass man damit der Fragestellung, die m. E. eine Vorneverteidigung demokratischer Freiheit in kritischer Zeit im Schilde führt, nicht gerecht wird, liegt auf der Hand.
Auf der Hand liegt aber auch, dass einfache Antworten ebenfalls nichts taugen, auch dann nicht, wenn man die aufgeworfene Frage vor dem Hintergrund des Tagungsthemas der Georg-Elser-Initiative „Gewalt auf Demonstrationen – Ursachen von Eskalation“ reflektiert. Statt Vorurteile zu kultivieren, lassen Sie uns die erforderliche Gedankenarbeit gemeinsam leisten.

I.

Die erste Fragestellung, die wir uns klar machen müssen, lautet:

  • Von welchem Begriff der Demokratie gehen wir aus, welches Demokratieprinzip legen wir zugrunde, wenn wir von Demokratisierung der Polizei sprechen? Und:
  • Was haben wir überhaupt unter Demokratisierung zu verstehen? …

Als formales Prinzip bedeutet Demokratie auf einen kurzen Nenner gebracht: Volksherrschaft aufgrund freier und allgemeiner Wahlen durch Willensbildung im Wege der Mehrheitsentscheidung bei Minderheitenschutz. Hinzu treten die zentralen Elemente: Repräsentation, Gewaltenteilung und rechtsstaatliche Wahrung der Menschen- und Grundrechte. … Insgesamt ergeben sich daraus zwei interessante Erkenntnisse:

  • Einmal hat die jeweilige Staatsform zumindest der Tendenz nach einen maßgebenden Einfluss auf die Organisation der Polizei: Diktaturen zentralisieren die Polizei, Demokratien dezentralisieren sie.
  • Zum anderen ist die Organisation des Polizeiapparates zumindest ein Indiz für den Stand der Entwicklung einer Demokratie in einem Staate. Um es positiv auszudrücken: Eine Demokratie erscheint als Staatsform um so nachhaltiger in der Wirklichkeit etabliert und gefestigt, je entwickelter die Organisationskultur der Polizei ist.

Gerade in Deutschland lässt sich dieser Zusammenhang anhand der politischen und polizeilichen Entwicklung nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, aber auch – ohne die Systeme gleichsetzen zu wollen – anhand des Unterganges der DDR nachvollziehen. Wenn aber Föderalisierung und Dezentralisierung wichtige Elemente auch der demokratischen Ausrichtung der Polizei sind, so ist umgekehrt höchste Wachsamkeit geboten, wenn sich Zentralisierungs- und Gleichschaltungstendenzen bemerkbar machen. In diesem Zusammenhang eine Zwischenbemerkung: Die medialen (Internet-) Verbünde der Polizei und Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern mit einer sich ständig ausweitenden Datenerfassung, Datenauswertung und Datenkontrolle ohne Rücksicht auf Privatsphäre und Grundrechtsschutz bilden vor diesem Hintergrund keinesfalls eine harmlose Kooperative. Sie können sich – unter Wahrung der formalen Verfassung, d.h. der föderalen Gliederung in Bund und Ländern –  durchaus als Vorstufen zentralistischer Herrschaftsformen erweisen. Die mangelnde Sensibilität des amtierenden Innenministers und seines Vorgängers angesichts der historischen Erfahrungen mit politischem Machtmissbrauch gerade in Deutschland ist für mich jedenfalls nicht mehr nachvollziehbar. Es ist also höchste Wachsamkeit geboten. Und im Sinne einer Vorneverteidigung der Demokratie läuten Bürgerrechtsorganisationen wie die Humanistische Union zu Recht Sturm gegen derartige Tendenzen.

II.

… Ich möchte in einem ersten Schritt auf die interne polizeiliche Organisationskultur im weitesten Sinne eingehen – sie reicht von der Polizeiorganisation bis zu den Polizeibediensteten als hoffentlich selbstständig denkende und handelnde Personen. Dabei werde ich mich hier mit der Fragestellung beschäftigen, ob – und wenn ja, welche – Ansatzpunkte für den Gedanken der Demokratisierung zu finden sind. In einem zweiten Schritt werde ich auf Möglichkeiten für ein Bürgerengagement, das von außen auf die Polizei einwirkt (Stichwort: Polizeikommission), eingehen.

1. Zur internen Demokra­ti­sie­rung der Polizei

… Hier sehe ich sehr verschiedene konkrete Ansatzpunkte, die sich mit folgenden Leitbegriffen kennzeichnen lassen und die ich als politische Forderungen für eine m. E. überfällige Polizeireform zu verstehen bitte: …

Zivile Leitung der Polizei / Moder­ni­sierte Führungs­grund­sätze für Polizei­führer

Aufgrund der derzeitigen Ausbildung von Polizeibeamten tritt uns der Polizeiapparat bei aller gebotenen Differenzierung hinsichtlich des einzelnen Beamten tendenziell als „geschlossene Gesellschaft“ gegenüber, die durch die Situation, in die sie strukturell gestellt ist, ein bestimmtes Wahrnehmungsraster entwickelt: den polizeilichen Blick auf der Basis von Recht und Ordnung. Das ist eine Mentalitätsfrage, die sich entwickelt hat und sich in Phänomenen wie Konservativismus und Corpsgeist niederschlägt. Es gibt insbesondere für die Polizei einen ständigen Bedarf, den Horizont zu erweitern, beispielsweise die Wahrnehmungsfähigkeit für  soziale oder ethnische oder auch politische Zusammenhänge zu steigern oder Offenheit für neue ungewohnte Entwicklungen zu erzeugen (z.B. für die Reformidee „Einrichtung von Gesundheitsräumen im Rahmen einer rationalen Drogenpolitik“). Zur Erzeugung und Erhaltung einer solchen Aufnahmebereitschaft für neue Entwicklungen und zu deren Umsetzung im Innenraum der Polizei bedarf es einer zivilen Führung der Polizei, zumindest bis zu der Ebene der Polizeipräsidenten und vergleichbarer Hierarchiestufen. Nur so ist es erfolgversprechend möglich, die notwendigen Diskurse zur Bewusstseinsbildung in der Polizei zu organisieren.

Dabei spielen natürlich auch die Führungsgrundsätze eine wichtige Rolle, die in der Polizei insbesondere für die Polizeiführer gelten. Bundesweit ist das kooperative Führungsmodell maßgeblich. Es enthält wichtige und wesentliche Maximen. Gleichwohl halte ich dieses Führungsmodell für reformbedürftig. Denn dieses Modell berücksichtigt nach meinem Eindruck zu wenig einen Aspekt, den man als zwingendes Erfordernis moderner Menschenführung ansprechen muss, die Notwendigkeit nämlich, den Menschen als eigenständiges Wesen und damit in seinem subjektiven Eigenwert zu begreifen:  als eine eigenständige Persönlichkeit, die in ihren Überzeugungen ernst genommen werden muss, und zwar auch und gerade dann, wenn ihm aufgrund der Weisungslage in Hierarchien ein Verhalten zugemutet wird, das nicht ohne weiteres einsichtig ist. Dieser Führungsanspruch geht über eine funktionale Optimierungen der Zusammenarbeit in hierarchischen Zusammenhängen weit hinaus. Außerdem hat im System des kooperativen Führungsstils das Element von Compassion nicht den zentralen Platz, den es haben müsste, gerade wenn man die Schwierigkeiten der  – sich oft in Zielkonflikten bewegenden –  konkreten Polizeiarbeit kennt, sie ernst nimmt und eben nicht nur technische Mechanismen für die Aufarbeitung kommunikativer und sonstiger menschlicher Probleme anbieten will.

Dezentralität

Schon aufgrund unseres kurzen historischen Rückblicks wird deutlich, dass funktionsgerechte Dezentralisierung als Organisationsprinzip immer auch eine Frage der Macht- und Kompetenzteilung innerhalb eines demokratischen Staatswesens ist. Jede Polizeiorganisation sollte so gegliedert sein, dass so viele Aufgaben wie möglich nach vorn (um nicht zu sagen „nach unten“) verlagert werden.

Delegation von Verant­wor­tung, AKV- Prinzip

Delegation von Verantwortung ist eine notwendige Voraussetzung für effektive Dezentralisierung. Delegation von Verantwortung wird nur dann erfolgreich sein, wenn sich Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung entsprechen und die jeweiligen Zuständigkeiten klar, sinnvoll und effektiv geregelt sind. Eine in sich stimmige, die jeweilige Verantwortung betonende plurale Entscheidungsstruktur erhöht die Transparenz und verhindert den hierarchischen Durchgriff generell und im Einzelfall. Entscheidungsbefugte Vorgesetze entwickeln ein Gefühl von Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, die zu Impulsen auch ihren Vorgesetzten gegenüber und damit für die ganze – wie wir hoffen lernende – Polizeiorganisation führen.

Eigen­stän­diges Budget, NSM

Ernst genommene Dezentralisierung und Verantwortungsdelegation umfasst auch die Anerkennung der Verantwortung eines eigenständigen Budgets im Rahmen allgemeiner Vorgaben, die im Wege des Kontraktmanagements umgesetzt werden. Eine solche Budgetverantwortung fördert das Gefühl von Eigenverantwortung, gibt größere Gestaltungsfreiheit im „eigenen Haus“ und fördert das Mitdenken im jeweils höheren Führungskreis – auch das eine Mentalitätsfrage, die zu mehr Gemeinsinn in der Polizeiorganisation führt. Wer selbst mit knappen Mitteln auskommen muss, versteht eher Entscheidungen, die unter dem Gesichtspunkt der Finanzverantwortung auf höherer Ebene getroffen werden.

Teamba­sierte Aufbau­or­ga­ni­sa­tion

Hier geht es mir darum, den straffen hierarchischen Aufbau der Polizei, in dem von oben nach unten „angewiesen“ wird, zu ersetzen durch ein Regelsystem, in dem die Chefs der unteren Führungsebene Mitglieder der Leitungsrunde der mittleren Führungsebene sind, und deren Chefs wieder der Leitungsrunde der oberen Führungsebene angehören – nicht als „Befehlsempfänger“, sondern als verantwortliche, mitgestaltende Teilnehmer eines kommunikativen Regelkreises. Teamarbeit wird damit institutionalisiert, ohne dass die Verantwortung des jeweiligen Teamchefs relativiert wird.

Syste­ma­ti­sierte Zusam­me­n­a­r­beit mit „fachlich benach­barten“ Dienst­stellen

Eine solche systemkonforme Kooperation öffnet die Polizei für die Belange anderer Dienststellen. Es entstehen Verständnis- und Problemlösungskompetenzen weit über die engere polizeiliche Perspektive hinaus (Beispiel: Institutionalisierung der Zusammenarbeit Polizei / Drogenbeauftragter auf höherer und örtlicher Ebene). Eine solche Zusammenarbeit dient nicht nur der Effektivität, sondern auch der Qualität der Polizeiarbeit im Sinne von bürgernahen, problemlösungsorientierten Entscheidungen.

Individualisierung

Polizeiarbeit sollte in aller Regel, z.B. gerade auch bei Einsätzen der Bereitschaftspolizei, persönlich zurechenbare Handlung sein. Die Transparenz polizeilichen Vollzugshandelns ist für sich schon eine demokratische Qualität. Deshalb plädiere ich für eine klare für die Bürger nachvollziehbare Kennzeichung eingesetzter Polizeieinheiten (Hundertschaften, Einsatzzüge), vor allem aber für persönliche Namensschilder, wo immer dies möglich ist. Das ist insbesondere der Fall im Einzeldienst, aber m. E. auch bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten. Gerade Namensschilder machen dem jeweiligen Vollzugsbeamten selbst deutlich, dass er nicht bloßer Funktionsträger in einer Polizeimaschinerie ist, sondern zu jedem Zeitpunkt persönliche Verantwortung für seine Diensthandlungen trägt. Die nur begrenzt nachvollziehbaren Bedenken in breiten Teilen der Polizei können nach meiner Erfahrung durch geduldige Überzeugungsarbeit in der Polizei überwunden werden.

Aus- und Fortbildung der Polizei

Dies ist ein abendfüllendes Thema: Ich meine die Externalisierung der Ausbildung der Polizeibeamten durch Verlagerung aller nicht spezifisch polizeilichen Ausbildungsinhalte an die allgemeinen Fachhochschulen. Ziel ist eine Polizei, deren Beamte sich schon in der Ausbildung mit anderen, insbesondere gegensätzlichen Positionen, Denkhaltungen und Verhaltensmustern auseinander gesetzt haben und daher sensibilisiert in die Wirklichkeit des Polizeidienstes gehen. Das Argument „Das funktioniert nicht“ kann ich aufgrund meiner Erfahrungen als Innensenator nicht gelten lassen, habe ich doch seinerzeit zusammen mit der Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) ein entsprechendes Konzept erarbeiten lassen.

Gemein­we­se­no­ri­en­tierte Polizei­a­r­beit, Sicher­heits­part­ner­schaften, Präven­ti­ons­räte

Dem Konzept „Community Policing“ für die Polizeiarbeit liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Polizei allein der Sicherheitsprobleme nicht Herr werden kann. Ist aber die Polizei selbst integrierender Teil des Gemeinwesens, so ist eine fachübergreifende Zielfindung vonnöten und eine möglichst gemeinsame Handlungsstrategie, in die jede betroffene Verwaltungseinheit die eigenen Aufgaben einbringt. Dass davon der Strafverfolgungszwang der Polizei genau so unberührt bleibt wie ihre Gefahrenabwehr- und Nothilfekompetenz, ist selbstverständlich. Es geht in der gemeinwesenorientierten Ausrichtung der Polizeiarbeit wesentlich

  • um den Austausch von Informationen, insbesondere von Strukturinformationen,
  • um das Verständnis für unterschiedliche Zugangsweisen unterschiedlicher Behörden zu gleichen Problemfeldern und auf dieser Basis,
  • um optimale bürgernahe Ergebnisse: von der Bewältigung des Drogenproblems – Stichwort: Gesundheitsräume – über den Kampf gegen Prostitution und Frauenhandel – Schutz aussagebereiter Frauen in Zusammenarbeit z.B. mit amnesty for women – bis hin zu Abstimmungen mit Stadtentwicklungsbehörden bei Planungen zur Eindämmung und Verhütung der Kriminalität schon im Ansatz.

In diesem Zusammenhang spielt auch die Zusammenarbeit von Polizei und Bürgern in Sicherheitspartnerschaften und Präventionsräten eine wichtige Rolle: Es handelt sich hier um Arbeitsformen, die im besten Sinne auf Partizipation und Teilhabe gerichtet sind und damit demokratische Elemente bergen… Ich komme zum zweiten Punkt.

2. Möglichkeit einer vertieften Demokra­ti­sie­rung der Polizei durch externe Einfluss­me­cha­nismen

… Wie nicht nur die Insider (die es aber nicht gern zugeben) wissen, sondern z.B. auch die mit Menschenrechtsfragen befassten Nicht-Regierungsorganisationen (etwa amnesty international, die Deutsche Liga für Menschenrechte, die Humanistische Union), gibt es Kontrolldefizite bei der Polizei. Die am schwersten wiegende Kontroll-Lücke ist eine strukturelle. Sie wird gemeinhin mit dem Phänomen „Mauer des Schweigens“ beschrieben. … Es geht hier um folgendes Dilemma: Einerseits steht jeder Polizeibeamter unter Strafverfolgungszwang ( § 163 StPO). Er muss also strafbares Verhalten eines Kollegen anzeigen. Andererseits setzt er sich damit in Widerspruch zu dem persönlichen Interesse seines Kollegen und zu der vermeintlichen Interessenlage der Polizeiorganisation als Ganze. Diese Interessen scheinen aus der Sicht „der Polizei“ zu gebieten, kein „Kameradenschwein“ zu sein, das „eigene Nest“ nicht zu „beschmutzen“, die „Klappe zu halten“. Verstößt ein Beamter gegen diese „Kultur“, ist er massiven Pressionen ausgesetzt, die von Mobbing über strukturelle Ausgrenzung bis zu Retourkutschen gehen können, wenn nicht zu noch Schlimmerem. Sogenannte „Whistleblower (können) gruppendynamisch für vogelfrei erklärt“ werden, wenn nicht ein Vorgesetzter schützend eingreift…
Wenn sich nun ein Beamter den Normen einer solchen Polizeikultur und der Pression seiner Kollegen beugt, macht er sich selbst wegen Strafvereitelung im Amt strafbar ( § § 258, 258 a StGB). Aus dem Zeugen wird ein Täter. Ursprungstäter und Folgetäter haben eine „gemeinsame Leiche im Keller“, beide sind auf Dauer voneinander abhängig. Das Fundament für eine Mauer des Schweigens ist gelegt. Und diese Mauer wächst, vervielfältigt sich und wird nahezu undurchdringlich. Ein Lösungsweg aus diesem Dilemma heraus – Königswege gibt es nicht – kann, so hat es jedenfalls der Hamburger PUA gesehen, in der Schaffung einer externen, nicht dem Strafverfolgungszwang unterworfenen Institution liegen. Solche Institutionen sind unter verschiedenen Namen im Ausland errichtet worden: z.B. das „Klachtenbüro“ in Amsterdam, die „Police-Complaints-Commission“ in Kanada oder die „Police-Complaints-Authority“ (PCA) in Australien. Eine externe Kontrolle der Polizei war in Deutschland in Berlin und Hamburg unter dem Begriff „Polizeibeauftragter“ diskutiert worden. In Anlehnung daran hat der Hamburger PUA die Erprobung einer externen Kontrollkommission vorgeschlagen: die ehrenamtlich arbeitende Hamburger Polizeikommission.

Aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Bürgerschaft ist diese Polizeikommission dann auch eingesetzt worden. In § 2 des Gesetzes über die Polizeikommission und in der Gesetzesbegründung wird die Aufgaben- und Zielstellung der Polizeikommission wie folgt beschrieben:

„Die Kommission hat die Aufgabe, etwaige interne Fehlentwicklungen und daraus folgende Gefährdungen der Einhaltung rechtsstaatlichen Verhaltens der Polizeibeamten zu erkennen und darüber zu berichten.“ …

Ich kann hier nicht im Einzelnen über Vorzüge und Nachteile der Hamburger Polizeikommission sprechen. Das wäre ein Vortrag für sich. Nur eine kurze Einschätzung sei mir erlaubt: Die Hamburger Polizeikommission hat gut gearbeitet, aber sie war mit Blick auf die sogenannte „lautlose Macht“ der cop culture und die gar nicht so lautlose Medienmacht des Polizeiapparates zu schwach ausgebildet. Eine ehrenamtliche Konstruktion mit einem kleinen Unterbau reicht für die externe Polizeikontrolle nicht aus. Auch bedarf es einer klareren Zuordnung dieses Kontrollgremiums im Rahmen des Gewaltenteilungsprinzips unserer Verfassung. Hier kann der Wehrbeauftragte als Vorbild dienen, der ja bekanntlich dem Parlament berichtet.

Rolf Gössner, Menschenrechtler, Rechtsanwalt und Publizist, hat dazu Vorschläge gemacht, die weitgehend meinen Erfahrungen und Vorstellungen entsprechen. Gössner fordert ebenfalls eine professionelle, unabhängige, polizeiexterne Kontrollinstanz mit angemessenem Unterbau (ausdrücklich spricht er von einem „Polizeibeauftragten“). Er möchte diese Kontrollinstanz mit speziellen Kontrollbefugnissen ausgestattet wissen, etwa mit:

  • dem Akteneinsichtsrecht,
  • dem Auskunftsrecht,
  • dem Ladungs- und Vernehmungsrecht,
  • dem Zutrittsrecht,
  • dem Recht auf Unterstützung durch Polizeidienststellen und andere Behörden,
  • dem Recht auf Beteiligung im Gesetzesverfahren,
  • dem Recht auf selbständige Öffentlichkeitsarbeit.

Darüber hinaus empfehle ich uns allen einen Blick nach Belgien zu werfen. Dort besteht ein sog. Ausschuss P, der klar dem legislativen Bereich zugeordnet ist, aber so weitreichende polizeiliche Befugnisse hat (man könnte fast von einer „Gegenpolizei“ sprechen), dass nicht zu befürchten ist, dass Polizeibeamte es wagen würden, eine „Verweigerungshaltung“ einzunehmen, wie es in Hamburg nach dem Eindruck von Mitgliedern der Polizeikommission der Fall war.
Ohne eine effektive externe demokratische Kontrollinstanz wie eine funktionsgerecht ausgestattete hauptamtliche Polizeikommission oder einen hauptamtlichen Polizeibeauftragten fehlt eine wirksame Gegenmacht, die eine demokratische Organisationskultur und ein demokratisches Selbstverständnis in der Polizei wirksam und dauerhaft zu schützen in der Lage wäre. Das ist ein schweres Defizit im Bereich des aktiven Demokratieschutzes. Deshalb plädiere ich eindringlich für eine schlagkräftige, unabhängige, externe Kontrollinstanz für die Polizei, die bei Bund und Bundesländern den jeweiligen Parlamenten zugeordnet ist.

III.

Insgesamt komme ich zu folgender Schlussfestsstellung, die zugleich eine klare positive Beantwortung der im Thema meines Vortrages gestellten Ausgangsfrage ist:

1. Eine Demokratisierung der Polizei, wie wir sie hier unter dem Aspekt interner und externer Erhöhung der Kontrollintensität erörtert haben, ist nicht nur möglich, sondern sie ist zwingend erforderlich.

2. Sie ist es generell, aber erst recht in Zeiten allgemeiner Sicherheitshysterie.

3. Dementsprechend brauchen wir eine tiefgreifende Polizeireform in Bund und Ländern, die die hier vorgetragenen Maximen interner Führungsverantwortung und externer Kontrolle umsetzt.

4. In diesem Sinne ist die Demokratisierung der Polizei ein lohnenswertes Ziel für Bürgerengagement.

Herzlichen Dank!

Hartmuth H. Wrocklage
war von 1994 – 2001 Hamburger Innensenator und ist
Mitglied des Bundesvorstandes der Humanistischen Union

Die erweiterte Fassung des Textes finden Sie in der unten angehängten PDF-Datei.

Kategorie: Hamburg: Artikel, Polizeikontrolle

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