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Infor­ma­ti­ons­recht für Frauen? Nicht bei ungewollter Schwan­ger­schaft

08. Februar 2019
Datum: Freitag, 08. Februar 2019
Informationsrecht für Frauen? Nicht bei ungewollter Schwangerschaft

Es diskutieren:

  • Inga Schuchmann
    Wissenschaftl. Mitarbeiterin, Fachbereich
    Rechtswissenschaften, Universität Hamburg
  • Kerstin Falk
    Landesgeschäftsführerin pro familia Hamburg
  • Barbara Meier
    Diözesanreferentin für Schwangerenberatung, Erzbistum Hamburg
  • Eva Burgdorf
    Diakonin, Organisationsentwicklerin, z.Z. Netzwerkstelle Lesben in Hamburg

Moderation: Stephanie Thiel, Humanistische Union

2017 wurde die Ärztin Kristina Hänel vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt, nachdem sie Informationen über Abtreibungen zum Herunterladen auf ihrer Internetseite angeboten hatte. 2018 wurde das Urteil vom Landgericht Gießen bestätigt. Die Medizinerin hat Revision eingelegt.

Der Fall Hänel hat eine bundesweite Debatte über den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs (StGB) ausgelöst, die seither nicht mehr verstummen will. Dieser Paragraph geht auf die Nationalsozialisten zurück. Er verbietet „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. Doch was bedeutet in diesem Zusammenhang „Werbung“?

Nach der Rechtsprechung fällt darunter bereits die sachliche Information durch Ärzt*innen. Denn die Voraussetzungen des Tatbestandes seien auch in diesem Fall erfüllt: Strafbar mache sich u.a., wer öffentlich eigene Dienste, Mittel oder Verfahren zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen seines*ihres Vermögensvorteils wegen bekannt gibt. Es droht dann eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Ärzt*innen leben davon, medizinische Leistungen anzubieten, was grundsätzlich mit einem Vermögensvorteil einhergeht. Aus berufsrechtlichen Gründen ist es ihnen ohnehin untersagt, Werbung zu machen. Allerdings stößt sich der Gesetzgeber bislang nicht an der teilweise massiven Werbung für sogenannte IGeL (Individuelle Gesundheitsleistungen) mit meist sehr fragwürdigem Nutzen. Auch scheint er kein Problem damit zu haben, wenn z.B. ein/e Orthopäd*in darüber informiert, dass und welche Art von Knieoperation sie/er anbietet.

Lediglich im Falle eines Schwangerschaftsabbruchs reicht bereits die reine, neutrale Information über Mittel und Verfahren aus, sich strafbar zu machen.

Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Wer, wenn nicht das zuständige Fachpersonal, soll aufklären dürfen? Schwangere Personen in Notlagen sind darauf angewiesen, dass Ärzt*innen diese Behandlung übernehmen. Seit dem Urteil gegen Dr. Hänel haben die Anzeigen gegen Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen und informieren, zugenommen. Einige trauen sich nicht mehr, Abbrüche vorzunehmen. Das schränkt das Informationsrecht schwangerer Personen, das Recht auf freie Arztwahl und auf Selbstbestimmung sowie die Berufsfreiheit von Ärzt*innen gravierend ein.

Das Problem hat auch eine menschenrechtliche Dimension: Das Recht auf (reproduktive) Gesundheit wurzelt in Artikel 12 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Entsprechend kritisieren der Ausschuss für die UN-Frauenrechtskonvention und der Menschenrechtskommissar des Europarates die in Deutschland geltenden Beschränkungen des Informationszugangs in diesem Bereich.

Mittlerweile liegt ein Kompromiss vor, der regeln soll, wer wann wie informieren darf. Zudem soll eine Studie klären, welche seelischen Folgen Schwangerschaftsabbrüche haben.

Ist damit nun alles in Ordnung? – Nein, ist es nicht!

Solche Studien existieren bereits; negative seelische Folgen von Abbrüchen konnten nicht nachgewiesen werden. Zudem suggeriert der Kompromiss, Frauen  ließen sich zur Abtreibung überreden, weil sie zufällig etwas darüber gelesen haben. Das ist wirklichkeitsfremd, zynisch und zeugt von einem fragwürdigen Frauenbild.

Der §219a StGB widerspricht dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und Informationsfreiheit. Übersehen wird zudem das Recht schwangerer Personen auf (reproduktive) Selbstbestimmung. Informationsrechte sind Menschheits- und Bürgerrechte, die auch für Frauen gelten, bislang jedoch ignoriert werden. Auch führt der Kompromiss nicht zu einer Entkriminalisierung von Ärzt*innen, denn sie dürften nach wie vor nicht darüber informieren, welche Methode(n) des Abbruchs sie anbieten.

Welche Probleme werfen der Paragraph und der Kompromiss noch auf? Was bedeutet das für die Bürger- und Freiheitsrechte von Schwangeren? Wäre durch die Streichung des Paragraphen ein moralischer Dammbruch zu erwarten?

Über diese und ähnliche Fragen wollen wir mit Expertinnen und mit Ihnen diskutieren.

Wir freuen uns über rege Teilnahme. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Der Eintritt ist frei.

Die Einladung darf gerne weiterverbreitet werden.

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